Montag, 15. September 2008

Das Märchen vom Moos

Du fragst mich, ob ich hier wohnen möchte, vor deiner Tür. Nur manchmal, zum Beispiel an ungeraden Tagen oder jenen, an den man zum Frühstück gerne Butterbrot isst. Vielleicht auch nur kurz, wenn der Raps wieder blüht, du wärst dann Leonard Cohen für mich und ich müsste damit rechnen früher aufzustehen, eventuell ein wenig zur Seite zu rücken und meinen Namen zu vergessen, ab und an.

Dein Kopf ruht auf meinem Bauch, sagst du solche Dinge. Ich habe die Augen aufgeschlagen, wie ein Buch, in dem du lesen könntest. Aber das willst du nicht, willst lieber in den Himmel schauen, dort könnte ein Drache wohnen, sagst du und ich lüge dich an, antworte ich: Ja.

Du bist ein Schiff für mich, du bist ein Schiff mit ungespannten Segeln, winke ich dir zu, kommt die Ebbe und du bist nicht mehr da.

Meine Arme hängen von dem hohen Bett, liegt dein Kopf nicht auf meinem Bauch. Sie baumeln ein wenig und berühren deine Schultern, würdest du zwei Schritte rückwärts machen. Es dauert zwei Minuten bis sie dort festwachsen, zwei Stunden bis sie voller Vögel sind, zwei Tage bis sie schmerzen, zwei Wochen bis du sie bemerkst. Meine Arme baumeln, du summst ein Lied. Ich kann dich nicht sehen, mit meinen Bücheraugen. Ich schlage Kapitel vier mit ihnen auf, ich knipse das Licht mit ihnen aus, ich sage leise: Kommst du denn jemals wieder?

Auf dem Berg, auf dem ich mir vorstelle dass du wohnst, dort blüht gerade Arnika. An den Tagen mit wenig Wind, da stehst du vor der Hüttentür und denkst an mich, denkst an das Tal, wo ich lange nicht mehr wohne, sagst eine Jahreszahl, die mir gehört. Würdest du wissen, wie sie mich nennen, was würdest du tun?

Ich sage: Vor deiner Tür ist es kalt, was mache ich im Winter? Wenn der Februar mit einer neunundzwanzig endet, dann friere ich, kann deine Tür nicht öffnen und höre dich vielleicht nicht atmen. Vor deiner Tür wohnen die wilden Tiere, die mich im Traum zu stark umarmen. Vor deiner Tür dringt Licht unter dem Spalt hervor und der Boden schmeckt nach Honig. Die Bienen sie stechen ein Mahnmal in meine Haut, willst du es lesen, nenn mich Suzanne, gib mir einen Regenmantel. Geh nie wieder weg.

Im Endeffekt stehst du dann auf, dein Finger zeigt auf eine Wolke. Auch das ist kein Drache, denke ich. Ich blicke dich an, solange bis du zurückblickst, mein Königreich ist abgebrannt.

Liebster, ich kann warten.

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