Mittwoch, 22. Oktober 2008

Fruchtfliegen

Das Fruchtfliegenfallen nach Essig stinken, weiß ich seit drei Tagen. Die Fruchtfliegen wissen das anscheinend schon länger und kreisen weiter, an anderen Stellen der Küche. Manchmal stehe ich dort und stampfe einmal mit dem Fuß auf, dann fliegen sie noch schneller und nicht mehr in Kreisen, dann sehe ich ihnen dabei zu und denke mir: 'Na wenigstens nicht Motten.'
Ich habe meine Pfirsiche weggeschmissen, meine Schnittblumen, die sowieso schon sehr kränkliche Zimmerpflanze liegt seit heute auch auf dem Müll und seit Tagen feiert die Frischhaltefolie ein Revival, das sich gewaschen hat. Fachmännisch kann ich mittlerweile dieses durchsichtige Plastikdingens, dass mich früher schnell in Panik versetzte, wenn es an mehr als zwei Stellen aneinander klebte, in einem rechten Winkel, halbwegs gerade abreissen. Der Kürbis ist eingepackt, die Überreste des Puddings, gestern folierte ich einen Apfel. Ich gestehe, das tat ich nur aus reiner Langweile. Ich hab den plastikschimmernden Apfel dann auf den Tisch gestellt und angeschaut, ich fühlte mich ein wenig wie der Christo der Kleinküchen, dann läutete auch schon das Telefon und ich sagte: 'Gleich bin ich auf dem Weg.'
Auf der Packung der Fruchtfliegenfalle, die sicher nur wegen dem modischen Druck an die sechs Euro gekostet hat, steht ganz unten: Achtung! Wirkt nicht bei Trauerfliegen. Und ich lasse meinen Kopf in meine Hände fallen und wiege ihn hin und her. Ich denke: 'Nicht auch noch Trauerfliegen.' Zwar weiß ich nicht, was Trauerfliegen sind, aber draussen hat der Wiener Vorwinter begonnen, mit Nebel bis zur letzten hellen Stunde des Tages, während der dann der Himmel aufreisst und man ungläubig nach oben blickt, da fliegen dann die Krähen und ein paar Flugzeuge, da ist es kälter als hier unten. Als Kind, da wollte ich das nie glauben.
Es könnte der Fall sein, dass ich überreagiere, die Fruchtfliegen betreffend. Vielleicht sind es gar nicht soviele, wie ich mir einbilde und vielleicht sterben sie morgen bereits alle. Fliegen einen letzten Kreis und fallen dann langsam zu Boden, wie Staubkörner, auf die ich drauftrete, komme ich aus dem Kino zurück, ohne es zu merken.
Eva sagt, ich solle Apfelsaft in die Essigfruchtfliegenfalle mit dem modischen Druck gießen. Auch das werde ich tun, werde hinterhältig werden und die Fliegen austricksen, werde neben der Falle sitzen und: 'Ha.' sagen, bei jedem weiteren Todesfall. Einen Tag länger als nötig, werde ich diese Falle stehen lassen, dann kommen die Trauerfliegen und fliegen einen letzten Trauermarsch um ihre ertrunkenen Kumpanen. Ich werde das Fenster öffnen und sie werden, einer Miniaturausgabe eines Vogelschwarms ähnlich, in die kalte Morgenluft fliegen.
Glaubt mir, dann kann der Winter kommen.

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