Montag, 4. Dezember 2006

Mir brechen alle Schuppen

Als du mich zum vierten Mal anrufst weine ich nur noch. Es ist in Ordnung, sagst du. Wir müssen das akzeptieren. Die Distanz ist einfach zu groß. Und ich weine noch mehr. Und du sagst, du nimmst mich jetzt in den Arm gedanklich und wir werden das schon schaffen. Ich sage ja und lege auf.
Gar nichts ist in Ordnung. Keine Distanz könnte so groß sein um das Gefühl auszulöschen. Es wären nur vier einfache Worte gewesen, und es wäre nie soweit gekommen. Die Klarheit geschaffen hätten und mich ruhig schlafen. Die mich nicht immer wieder den Telefonhörer neben das Telefon legen lassen hätten und ohne die das fahle Gefühl im Magen, wenn du doch anrufst nie da gewesen wäre. Du wärest auch nicht noch dreimal 1000km weit gefahren und ich hätte dich nicht umarmt und gelächelt, wenn du sagstest, ach wie hab ich dich vermisst.
Einmal um zwei in der früh konnte ich nicht mehr schlafen, habe mich aus deiner Umarmung gelöst und bin ins Bad gegangen. Hab Wasser laufen lassen und mich im Spiegel betrachtet. Keine fünf Minuten später hast du angeklopft und gefragt, ob alles in Ordnung sei. Ich habe ja gesagt, dich geküsst und an der Hand hast du mich ins Bett zurückgeführt. Dabei habe ich geweint und du hast gesagt, das alles gut wird, und du ja auch herziehen könntest und ich habe noch mehr geweint. Wir sind durch den Wald gelaufen, am nächsten Tag und ich bin von Baumstämme gesprungen, und du hast alles fotografiert. Sobald sie entwickelt sind, werde ich wieder kommen und sie dir geben.sagstest du. Das war eine Lüge.
Denn inzwischen hast du ja wieder viermal angerufen und ich viel geweint und du nichts verstanden, was ganz alleine meine Schuld ist. Ganz alleine. Du sagst dann, shhh shhh, mein Mädchen und redest über Sterne die du mir vom Himmel holst und ich könnte ins Bad rennen und mich übergeben.
Als wir heimkamen bin ich sofort eingeschlafen und als ich zwei Stunden später aufwachte, bist du an meiner Seite gesessen und hast mich angelächelt. was hast du solange gemacht, fragte ich. Dich beim Schlafen angesehen und glücklich gewesen, sagtest du. Da hätte ich beinahe wieder geweint. Als ich dich zum Zug brachte bin ich nach zwei Minuten wieder gegangen, hab gesagt, ich kann das nicht, hab gesagt, das mir alles so leid tut und du hast gelächelt und gemeint, ich solle mir keine Vorwürfe machen, für die Kilometer zwischen uns könne ja keiner was. Du hast meine Stirn geküsst und gesagt, ich liebe dich. Und ich hab dich gefragt, wie du das machen kannst und du hast gesagt, indem ich es fühle. Und ich habe versucht zu lächeln und genickt. Es tut mir leid geflüstert und dich umarmt bevor ich davonlief.
Wer weiß was der Sommer bringt, sagst du am Telefon und ich sage, da bin ich in der Schweiz und du sagst, na dann bin ich eben auch in der Nähe. Und ich sage, nein. Nein. Nein. Das geht nicht. Das kannst du doch nicht machen. Weinst du wieder, fragst du und ich verneine wieder. Ist das wahr fragst du, und ich schweige. Ach Mädchen, hast du dann gesagt und mir von den Sternen erzählt.
Es wären vier Worte gewesen. Vier Worte und viele Tränen weniger. Und viele Morgen weniger, an denen ich nicht aufwachen wollte. Und du mich umarmt hast und mir Frühstück ans Bett gebracht hast. Es hätte auch kein vom Baumstamm hüpfen gegeben und dreigängiges Abendessen. Es hätte keine Hintergrundmusik beim Telefonieren gegeben und es hätte weniger Lügen gegeben. Es hätte den Juni einen Juni sein lassen und ich wäre mit dem Typen wohl nicht einfach nur bis zur Haustür gegangen.
Es ist Mitternacht, als ich das Telefon zurückstelle. Draussen bellt ein Hund. ich setze mich aufs Fensterbrett und sage. Ich liebe dich nicht. Würde ich nicht soviel schluchzen, würdest du es vielleicht sogar verstehen.
(2003)

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