Sonntag, 18. Februar 2007

Mama mia

Als ich Mama damals erzählte, dass mein Freund mit mir Schluß gemacht hat, brach sie in Tränen aus.Kind.sagte sie.du tust mir so leid. Ich sagte gar nichts. Ich starrte sie an und rannte aus dem Zimmer. Mama weinte weiter, eine halbe Ewigkeit. Dann rief sie Großmutter an, der ich auch sehr leid tat. Vielleicht war ich damals das erste Mal wirklich sauer auf meinen Exfreund, weil er mir diese Scheiße eingebrockt hatte. Vielleicht war es deswegen gut.
Mama weinte auch, als der Hund starb, den sie nie mochte. Sie tat es auch diesesmal aus Loyalität, meinem Vater gegenüber. Der saß am Küchentisch und biss auf seine Unterlippe. Mama. sagte ich. Du mochtest den Hund nicht. Da weinte sie noch mehr, blickte mich kurz an und schluchzte: aber dein Vater mochte ihn. Das weißt du doch.
Es hat mich nie sonderlich mitgenommen, sie weinen zu sehen. Vielleicht weil ich es nicht abschätzen konnte, ob es ihr wirklich schlecht ging. Ich glaube, das konnte sie ebenso wenig. Auch nicht ob sie wirklich froh war, stolz, ängstlich oder gar zornig. Es war immer alles so undeutlich oder zu überdeutlich, es war immer zuviel oder zuwenig. Und ich fragte mich manchmal, wie sie damals reagierte, als mein Vater um ihre Hand anhielt, ob sie da auch weinte oder lachte ob sie ein wenig stolz darauf war oder einfach nur wieder unglaublich pathetisch. Was ihr auch zustand, natürlich. Und ich sehe sie vor mir, wie sie schlußendlich doch weinend meine Großmutter anrief und mein Vater gar nichts sagte, vielleicht nur ein wenig Angst hatte, vor dieser Frau.
Als ich auszog weinte sie kein bißchen, weigerte sich Urlaub zu nehmen um mir beim Umziehen zu helfen, küsste mich nicht auf die Stirn als ich das Haus verließ und wünschte mir kein Glück. All das übernahm die Mutter einer Freundin, was Mama wiederum nie verstand. Sie rief mich an, nach drei Tagen, fragte mich, ob ich bald nach Hause komme, ich sagte nein. Da war sie ganz still und fragte nicht mal wieso. Dafür riefen mich am nächsten Tag sämtliche Verwandte an, die mir vorhielten, wie gemein ich nicht wäre, dass sie mich alle vermissen würden und dass die Großstadt doch nichts für mich sei. Während ich mich die ganze Zeit fragte, woher sie meine Telefonnummer hatten und trotzdem nur ja sagte und an die weinende Mama dachte, die jetzt zuhause saß und wartete, bis ich anrufen würde. Was ich nicht tat. Nie.
Nach Hause kam ich trotzdem immer wieder. Sah Mama seltener weinen, fragte meine Brüder auch nicht danach. Verkniff ihr von unglücklichen Lieben oder zerbrochenen Freundschaften zu erzählen. Hatte immer eine tolle Geschichte von meinem Unileben auf Lager. Das beeindruckte sie nie. Sie schimpfte nur, über die Lehrerkollegen, die mit ihren tollen Kindern prahlten. Ja.ja.sagte sie dann und dass die es halt nötig hätten. Und ich wünschte mir von mal zu mal mehr, dass sie das nächste Mal auch im Lehrerzimmer stehen würde, umringt von Kollegen und über mein neues Praktikum, meine neue Wohnung oder auch nur darüber dass ich nicht mehr von Fertiggerichten lebe, prahlen würde. Was sie nie machen würde, warum denn auch.
Ich erinnere mich an die ersten Male als mein Exfreund nach Mutters Weinattacke anrief und sie ihn nicht mal am Telefon begrüßte, mir wortlos den Hörer in die Hand drückte und dann nachher zu mir herkam und mich fragte, was er denn wollte, ob alles wieder gut sei und ich zu ihr sagte, dass sie das gar nichts angehen würde und sie wieder Großmutter anrief und über mich herzog. Wie ekelhaft ich nicht sei und wie ich daran dachte, wie ekelhaft sie nicht sei und wir uns gegenseitig böse Blicke zu warfen und manchmal denke ich mir, dass damals für wenige Momente wirklich alles gut war zwischen uns. Trotz der Wut und der Traurigkeit. Einfach nur weil Mama, mich beschützen wollte und es nicht konnte und ich es dennoch verstand, wenn auch zu spät.
Ich werde ihr das natürlich nicht sagen, weil ich Angst habe, sie wieder zum Weinen zu bringen und ich nicht weiß, ob ich das kann, ihre Hand zu nehmen und sie festzuhalten. Vielleicht würde ich dann auch nur weinen und wir gemeinsam Großmutter anrufen bei der dann auch die Tränen fließen. Das wäre wirklich furchtbar.
Das könnt ihr mir glauben.

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