Dienstag, 30. Oktober 2007

Das Meer und der alte Mann

Wir sind gerade am Schwarzen Meer angekommen. Margit, ich und die 200 anderen Passagiere, die zumindest meine Eltern, wenn nicht gar zum Großteil meine Großeltern sein könnten.
Jetzt jubeln sie, fangen an zu tanzen, hier am Sonnendeck des Schiffes und Margit und ich, ja wir jubeln auch und winken den rumänischen Fischern rechts und links von uns und lachen über Martin, der tatsächlich Vangelis spielt. .Später kommt Bocceli, warnt er und wir lachen noch mehr, gönnen uns gar ein Glas Champagner, als hätten wir uns das wirklich verdient, nach über eine Woche auf diesem Luxusschiff, mit all diesen Menschen, die man sonst wohl nie im Geringsten berührt hätte.
Der alte Mann, der alte Mann mit dem dicken Bauch, auch er steht am Deck, alleine, wie zumeist, er lächelt und in meiner Euphorie laufe ich zu ihm, um zu erklären, wie gut es ist, dass das Schiff wackelt und wir alle hier sind und da lacht er und sagt: Sie sind eine weise junge Dame, das sollten sie wissen. Selbstverständlich, wie alles erscheint in diesem Augenblick, nicke ich und erzähle von meinem Projekten, sehe ihm beim Nicken und Ergänzen zu und deute wie verrückt auf jeden einzelnen Pelikan, an dem wir noch vorbeifahren, während er dann sagt: Aus Wien sind sie, nicht wahr? Und wieder nicke ich und frage ihn, ob er denn auch schon dort war und er lacht und erzählt, mit einer Gestik und Mimik, die ihn plötzlich um sovieles jünger erscheinen lässt, wie es damals war, mit seiner Frau und seiner Tochter zum ersten Mal mit dem Riesenrad zu fahren und wie sie in Grinzig beim Heurigen essen waren und ach, wie sie immer und immer wiederkamen.
Wie versteinert stehe ich da und nicke immer noch wie blöd, als ihm bereits die Tränen runterlaufen und er leiser sagt: Meine Frau, wissen Sie, seit zehn Jahren nun ist sie schon tot.
Alles will ich versprechen, diesem alten Mann, in diesem Moment, am Schwarzen Meer und weiß nicht wie. Man glaubt, alles wäre für immer und scheitert doch, sagt er noch und lächelt dann, erklärt mir, dass ich doch noch jung wäre und sovieles vor mir, vielleicht auch die glücklichsten 42 Ehejahre, die ich mir vorstellen kann und ich lächle auch und weine innerlich, wegen dem Entsetzen und der Endgültigkeit, die mir bewusst wird und der Hand des alten Mannes, mit dem goldenen Ring, die zittert und zittert und zittert.

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